Lucila Pacheco Dehne
Emotional Scarecrows and Soft Soils
18.06.–17.07.2022
Lucila Pacheco Dehne (*1994, Berlin, DE) arbeitet oft mit alltäglichen Dingen und vergänglichen oder essbaren Materialien, um über Herkunft, postmigrantische Identität, Zusammenkünfte und Utopien nachzudenken. »Welche Gegenstände oder Dinge kümmern sich eigentlich um unsere Körper und wie kümmern wir uns zurück?«
Im Raum steht eine Vogelscheuche. Sie passt auf dem Raum auf und behält den Überblick. Sie ist ein von Menschen geschaffenes Wesen, das rund um die Uhr arbeitet, dem Wetter standhält, sich abnutzt und stehen bleibt. Der Raum, der sich sonst durch einen harten Boden und harte Wände behauptet, wird durch Teppich und Vorhänge weich und warm. Es ist so, als würde der Raum schützen wollen, was in ihm ist. Der Teppichboden kann nur mit Socken betreten werden, wer ihn betreten möchte, muss sich also vorher seine Schuhe ausziehen. Es gibt immer eine gewisse Intimität im Schuhe ausziehen. Einen persönlichen Moment der fast peinlich ist. Man muss einem Ort gewissermaßen vertrauen, um die Schuhe auszuziehen. Im Raum um die Vogelscheuche verteilt liegen kleine Kopplungsobjekte. Es sind Dinge aus einer von Menschen erfahrenen Welt, Dinge die dem Körper nah sind: Ein Schlüssel, eine Zahnbürste, Kaugummi, Löffel, Brot, Münzen, ein Kamm und weitere Dinge die durch die Hände oder den Körper von Menschen gehen. Es sind Objekte die jeden Tag eine gewisse Abnutzung erfahren. Sie muten wie kleine, fast unbedeutende Statisten an, die aber in essentiellen Momenten des täglichen Lebens erscheinen. Es sind Objekte, die sich an unsere Körper binden, die uns annehmen und helfen, uns das Leben leichter machen. Sie kümmern sich in gewisser Weise um uns, erfahren aber keine kümmernden Gesten zurück. Die meisten dieser Objekte sind durch einen dünnen weißen Faden mit einem oder mehreren Samen verbunden. Es sind Abgüsse von Samen, aus Zinn, silbern und schwer,
wie kleine veredelte Patronen. Der Faden besteht aus einer Faser, die aus alter Milch gewonnen wird. Milch, meist die erste Nahrung für Menschen und andere Säugetiere, ist eine Art Super-Careworker, produziert von Müttern, die wiederum selbst meist ein hohes Maß an Care-Arbeit leisten. Zusammengebunden ergeben die Samen und Objekte ein Versprechen auf das Wachstum des Kümmerns. Die Samen geben den Objekten das Potenzial, groß zu werden, zu wachsen und zu bleiben.
Die Vogelscheuche und die Samen machen den Teppich zum Feld – wiederum Gegenstand der Fürsorge in der Landwirtschaft. Die natürlichen Careworker des Feldes – Sonne, Wind, Regen, Insekten, Vögel – werden in der 24-stündigen Soundarbeit von Gregor Kieseritzky präsent.
Fotos: Hans-Jürgen Wege
10a Journal #1
»Sorgen, Falten, Sammeln,«
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